Klebtechnische Prozesse sind ein fester Bestandteil in vielen Bereichen der Herstellung und werden als (Teil-)Prozess in vorhandene Produktionsprozesse integriert. Der klebtechnische Einsatz reicht dabei von kleinen Werkstätten und Betrieben bis hin zu Erstausrüstern (Original Equipment Manufacturer, OEM). Dabei ist die Klebtechnik gegenwärtig vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) durch manuelle Arbeitsschritte geprägt, die oft von Fachkräften anderer Bereiche (z. B. Schweißer*innen) ausgeführt werden. Hierfür werden Arbeits-/Prozessanweisungen in Papierform für das ausführende Personal zur Verfügung gestellt.
Zentraler Lösungsansatz des Projektes STEP-UP ist die Entwicklung eines adaptiven Assistenzsystems für KMUs zur Mitarbeiter*innenunterstützung in der klebtechnischen Fertigung – von der ersten Oberflächenvorbereitung bis hin zur abschließenden digitalisierten Qualitätssicherungsdokumentation des Gesamtprozesses.
Eine der Projektaufgaben bei OFFIS ist die Prüfung von Möglichkeiten einer Unterstützung durch tragbare Geräte und Augmented Reality. Zielsetzung dabei ist die normgerechte Abbildung klebtechnischer Prozesse, die Bereitstellung aller notwendigen Informationen zur Durchführung (paralleler) Arbeitsschritte sowie die Untersuchung einer möglichen Semi-Automatisierung von erforderlichen Dokumentationen wie (Kleb-)Protokollen.
Darüber hinaus werden in STEP-UP verschiedene Einflussfaktoren wie z. B. Arbeitsschutzmaßnahmen bei der Entwicklung berücksichtigt, denn das Tragen von Handschuhen, einer Schutzbrille, eines Kleidungs- und zum Teil auch Atemschutzes ist in der klebtechnischen Fertigung vorgeschrieben.
Im Rahmen des Human-Centered Design Prozesses (menschzentriertes Design, HCD) wurde die Arbeitsumgebung und die Arbeitsbedingungen von Werker*innen im Rahmen einer Kontextanalyse durch die Teilnahme an einer Schulung für Klebpraktiker*innen am Fraunhofer Institut für Fertigungstechnik und angewandte Materialforschung in Bremen untersucht. Dafür wurden auch Expert*inneninterviews durchgeführt. Darauf folgte die prototypische Gestaltung und Entwicklung der Mensch-Maschine-Schnittstelle für das Unterstützungssystem. So konnte die Konzeptionsphase des HCD-Prozesses mit der Erstellung von Design-Lösungen in Form von unterschiedlichen Mock-Ups abgeschlossen werden.
Im weiteren Verlauf wurden Studien zur Unterstützung der Werker*innen mit Hilfe von Augmented-Reality durchgeführt. Dabei wurden Teile eines Referenzprozesses abgebildet.
Studie 1: Augmented Reality zur Unterstützung für zeitkritische Montageassistenz
Studie 2: Augmented Reality zur Unterstützung für parallele und zeitkritische Montageprozesse
In der Praxis werden bestimmte Prozessaufgaben, wie die Positionierung von Distanzstücken, nicht einzeln, sondern parallel ausgeführt, um die Prozesszeiten zu verkürzen und die Produktivität zu steigern. Dabei kam es jedoch in der Vergangenheit häufig zu Prozessfehlern: Beispielsweise zum Nicht-Einhalten verschiedener Zeiten oder zur inkorrekten räumlichen Positionierung von Distanz- und Fügeteilen.
Aus diesem Grund wurden drei AR-Arbeitsanweisungen auf einem Tablet verglichen, um zu untersuchen, wie viele Prozessaufgaben parallel angezeigt werden können. Dabei sollte deutlich werden, wie sich die Fehlerrate, die Prozesszeit und die kognitive Belastung bei der Anzeige paralleler Aufgaben verändern. Daneben wurde auch die Usability und mögliche Akzeptanzkriterien geprüft. Die von OFFIS ausgewählten Prozessschritte wurden aus den in DIN 2304-1:2019-10 definierten Anforderungen an Klebeprozesse abgeleitet, so dass eine normgerechte Darstellung und die Bereitstellung aller notwendigen Informationen für die Durchführung der einzelnen Arbeitsschritte erreicht wurde.
Für die Studie wurden aus einem Gesamtprozess vier besonders fehleranfällige Arbeitsschritte ausgewählt. Ein Ausschnitt der Sicht in Augmented Reality ist in Abb. 2dargestellt.
Die Schritte werden in Schulungen eingesetzt und sind daher besonders geeignet, da die Studie von Teilnehmern ohne Erfahrung in der Klebstofftechnologie durchgeführt wurde. Die Ergebnisse der Studie sollen einen positiven Beitrag zur Unterstützung von Werker*innen liefern, die in zeitkritischen Prozessen arbeiten, bei denen neben den Sicherheitsanforderungen auch die genaue räumliche Positionierung von Fügeteilen eine wichtige Rolle spielt.
Mehr zum Projekt finden Sie unter: https://www.offis.de/offis/projekt/step-up.html
Durchführung der Studie durch Jannike Illing
Wir bedanken uns beim privaten Umfeld von Jannike Illing (Familie, Freunde und Bekannte) sowie bei unseren Kolleginnen und Kollegen, die die Durchführung der Studie trotz der Corona-Pandemie mit der strikten Einhaltung aller Schutz- und Hygienemaßnahmen ermöglichten.
Projektverantwortliche: