SESA
Die Energiewende in Richtung dezentraler Erzeugung auf Basis erneuerbarer Energie sowie die gleichzeitige Digitalisierung des Energiesektors erhöhen die Komplexität der Energieversorgung deutlich. Das Energiesystem wird in Zukunft aus vielen kleinen Erzeugern, Speichern und zahlreichen heterogenen IKT-Komponenten zur Vernetzung und intelligenten Steuerung und Automatisierung bestehen.
Eine Herausforderung dieser Smart Grids ist die beschleunigte Integration von Informations- und Kommunikationstechnologien, die die notwendigen dynamischen Anpassungen im Energiesystem ermöglichen – welche allerdings in diesem Anwendungskontext noch nie auf ihre Wechselwirkung und Interdependenzen getestet wurden. Zudem gilt es einer Gefährdung durch cyberkriminelle Eingriffe von außen vorzubeugen.
Das Labor für intelligente Energiesimulation und -automatisierung (Smart Energy Simulation and Automation, SESA) ermöglicht in diesem Themenkomplex sowohl die Echtzeit- als auch die zeitbeschleunigte Co-Simulation von Auswirkungen auf Energieversorgungssysteme in großem Maßstab und unter realistischen Bedingungen, um die Integration neuer Komponenten in das System zu erleichtern, kritische Situationen zu identifizieren und eventuell erforderliche Anpassungen zu entwickeln. Die Infrastruktur des SESA-Labors umfasst folgende Hauptmerkmale:
- Echtzeit- und Offline-Simulatoren gekoppelt mit Co-Simulations-Frameworks - insbesondere mosaik - zur Modellierung von cyberphysikalischen Energiesystemen.
- Intelligente Energieautomatisierung einschließlich physischer und/oder virtualisierter Betriebstechnologien.
- Industrielle und Open-Source SCADA-Systeme zur Überwachung und Verwaltung von Energie- und IKT-Systemen.
- Big Data Analyse- und Sicherheitsplattform einschließlich Anomalieerkennung und ISMS.
Ein besonderes Merkmal der Installation des SESA-Labors ist hierbei die topologiefreie Zuweisung und Verknüpfung von analogen sowie digitalen Ein- und Ausgängen. Um den Planungs- und Ausführungsprozess von Simulationen zu erleichtern, enthält SESA einen Virtualisierungsserver (VM-Cluster), der virtuelle Maschinen für softwarebasierte Simulationen (mit der Möglichkeit der Kopplung mit einem hardwarebasierten Echtzeitsimulations- und Automatisierungssystem im Labor), Entwicklungsumgebungen oder Lizenzierungsserver für mögliche Laufzeitumgebungen bereitstellen kann. Eine solche virtualisierte und topologiefreie Zuweisung ermöglicht es SESA, externen Benutzern Fernzugriff zu gewähren.
Derzeit von der Infrastruktur angebotene Dienstleistungen
Groß angelegte Echtzeit- und Offline-Smart-Grid-Simulationen
- Holistischer System-Ansatz (Experimente auf Basis statistischer Versuchsplanung)
- Kopplung heterogener Simulationen
- Transparente SCADA-Ansichten und Steuerung des gemeinsam (heterogen) simulierten Systems
- Testen von integrierten Steuerungsverfahren
Prototyping für Smart Grid-Steuerungskonzepte
- Testen als Black-/White-/Grey-Box-Systeme
- Zentralisierte und dezentrale Steuerungsansätze (z.B. Multi-Agenten-Systeme)
- Standardkonforme Kommunikation und Steuerung von der Komponentenebene bis hin zu SCADA-Systemen
Framework zur Bewertung der Cyber-Sicherheit / Integrität der Kommunikation und entsprechender Reaktionsmechanismen
Entwicklung und Erprobung von Mehrwertdiensten auf Basis der Smart-Meter-Gateway-Infrastruktur
Simulationswerkzeuge und -umgebungen
- Mosaik ist ein flexibles Smart Grid-Co-Simulations-Framework, das die Wiederverwendung und Kombination vorhandener Modelle und Simulationswerkzeuge zur Erstellung groß angelegter Smart Grid-Szenarien ermöglicht. Diese Szenarien können anschließend für die beschleunigte simulationsbasierte Evaluation von verschiedene Arten von Regelungsstrategien (z.B. Multi-Agent-basierte Regelung) oder anderen algorithmischen Lösungsansätzen für zukünftige Energiesysteme dienen..
- Der digitale Echtzeitsimulator von OPAL-RT (eMEGAsim und ePHASORsim) ermöglicht die Ausführung einer hochdetaillierten, dynamischen Stromnetzmodellierung auf dedizierten FPGA-basierten Signalprozessoren. ePHASORsim ist hierbei in der Lage, bis zu 30.000 Knoten zu modellieren. Der OPAL-Simulator bietet analoge Ein- und Ausgänge und folgende Kommunikationsprotokolle für Hardware- und Software-Schnittstellen: 60870-5-104, IEC 61850 GOOSE und Sample Value, Modbus RTU/TCP, C37.118 für PMU.
- EXata Scalable Network und Attero Spirent sind zwei kommerzielle Echtzeit-Kommunikationsnetzwerksimulatoren und -emulatoren zur Modellierung und Untersuchung des Netzwerkverhaltens mit hoher Detailtreue, Genauigkeit und Präzision.
- Offline-Simulationswerkzeuge werden einzeln oder als Teil einer Mosaik-basierten Co-Simulationsplattform wie PowerFactory, OMNET++, pandapower und MATLAB über Virtualisierungsserver bereitgestellt.
Automatisierungskomponenten
- Feldgeräte: Phoenix Fernbedienungseinheiten, National Instruments NI CompactRIO, Beckhoff-SPS-Systeme, KoCoS Automatisierungssysteme
- Spitzenberger APS 1000-Verstärker für Controller Hardware-in-the-Loop (CHIL)-Tests
- Virtuelles oder softwarebasiertes OT (vRTU, vIED, vPMU) für Simulation im großen Maßstab
- Industrielle SCADA-Systeme von PSI und KISTERS
- Open-Source-IKT-Überwachungs- und Einbruchserkennungssystem (basierend auf Snort und Check-MK) und industrielles Netzwerküberwachungs- und -erkennungswerkzeug (Rhebo industrial protector)
- Smart Meter Gateways und Controlboxen verschiedener Hersteller, lizenzierte GW-Verwaltung, Zählerdatenmanagement und CLS-Verwaltung
Datenanalyse-Plattform
- Open-Source-Datenstromverwaltungssystem Odysseus (https://odysseus.informatik.uni-oldenburg.de/)
- nosql-Datenbank Cassandra (http://cassandra.apache.org/). Die Daten können sowohl nur kurzfristig als auch langfristig für weitere Analysen gespeichert werden
Smart-Grid-Leitstand bei SESA
Das SESA-Lab umfasst einen Smart-Grid-Leitstand-Arbeitsplatz, um neue Funktionalitäten des zukünftigen Energienetzes und die adäquate Bereitstellung von Informationen für den Menschen zu testen sowie das Bedienpersonal für neue Situationen zu schulen. In dieser Leitwarte sind drei industrielle SCADA DMS (PSI Control, KISTERS ControlStar, PSI PRINS) und eine Open-Source-SCADA-Schnittstelle auf Basis der Anforderungen von openKonsequenz installiert.
Das industrielle und das Open-Source-SCADA-System sind in die Echtzeit- und Offline (Co-)Simulationsplattform im SESA-Labor (auch durch Mosaik) integriert, die die Möglichkeit bietet, das SCADA-System an ein "virtuelles Netz" anzuschließen und es somit für verschiedene Einsatzszenarien zu testen.
Folgende und potentiell weitere Forschungsrichtungen basieren auf der Nachbildung der SCADA-Infrastruktur:
- Testen der Effizienz von Operatoren in verschiedenen Arbeitsumgebungen (Visualisierungsschemata oder verschiedene Betriebsszenarien, z.B. Stromausfälle)
- Integration neuer Informationsquellen (z.B. IKT-Zustand, Niederspannungsnetzdaten) in konventionelle SCADA-Systeme
- Entwicklung fortgeschrittener Netzbetriebsfunktionen, z.B. adaptive Zustandsschätzung, Steuerungsinteraktionsmanagement
- Automatisierte Datenverwaltung und -verarbeitung