Besonders in Seegebieten mit erhöhter Verkehrsdichte und in engen Fahrwassern bedarf es eines hohen Grads an Situationsbewusstsein des nautischen Personals auf einem Schiff, damit es nicht zu unerwünschten Zwischenfällen kommt. Um die Sicherheit auf See zu erhöhen, werden Revier- und Hafenlots*innen zur Unterstützung des Brückenteams in navigatorische Entscheidungen involviert. Das Personal verwendet dabei auf der Schiffsbrücke ein tragbares Gerät, die „Portable Pilot Unit“ (PPU). Diese greift auf verschiedene Quellen zu, um Seekarten sowie wichtige Informationen über das Schiff, den Zielhafen und andere Schiffe per Funkverbindung vor dem Betreten des Schiffs zu empfangen und während der Lotsung angezeigt zu bekommen.
Während der Projektlaufzeit von „KEI.POP“ (Korean European Innovative Portable Pilot Unit) forschten die südkoreanischen und deutschen Projektbeteiligten gemeinschaftlich an einem neuen innovativen Informationssystem für Lots*innen. Interviews mit Anwender*innen von PPUs hatten zuvor ergeben, dass heutige Systeme mangels breitbandiger Netzabdeckung der Wasserstraßen ein häufig verzögertes Bild der aktuellen Revierlage bereitstellen. In kritischen Situationen, zum Beispiel bei schlechter Sicht, werde nach guter Seemannschaft und auf Basis der klassischen Sensorsysteme wie Schiffsradar und AIS (Automatic Identification System) sowie mittels der Revierkenntnisse des Lotsenpersonals navigiert. Die Daten des AIS würden nur ein verzögertes und ungenaues oder zum Teil sogar falsches Bild liefern. Dies kann zum Beispiel die der Schiffsabmessungen und den Tiefgang betreffen. Darüber hinaus seien Schiffsradare durch Sichtverdeckungen aufgrund anderer Verkehrsteilnehmender in ihrer Nutzung beschränkt, was auf landbasierte Radarbilder in Verkehrszentralen nicht zutreffe. Diesen Defiziten wirkte das KEI.POP-Projekt entgegen.
Ziel des internationalen Projekts war, die maritime Sicherheit zu erhöhen, indem ein neues Unterstützungssystem für Lotsende entwickelt wurde, durch das auch mit niedrigen Datenraten ohne Datenverlust und Verzögerung aktuelle, landbasierte Informationen auf ein Schiff gebracht werden können. Mittels der Maritime Connectivity Platform (MCP), für die Internettechnologien speziell für maritime Anwendungen standardisiert werden, gelang dieses Vorhaben. Die Sicherheit der Schiff-Land-Kommunikation gegenüber etablierter Techniken konnte signifikant gesteigert werden.
Die Maritime Connectivity Platform wurde im Rahmen des Projekts für die deutschen und koreanischen PPUs verfügbar gemacht. Dadurch wird den Lots*innen und dem nautischen Personal an Bord der Zugriff auf aktuelle Lagebilder ermöglicht, welche insbesondere die aktuelle Verkehrssituation enthalten. Das viel genauere landseitige Radarbild wird über einen Webservice zur Verfügung gestellt, auf den das Gerät zugreift und das Radarbild dann geschickt als Overlay auf die elektronische Seekarte legt. Des Weiteren sind zukünftig auch vorherrschende hydrographische und meteorologische Bedingungen (zum Beispiel Strömungsdaten, Pegelstände, Windgeschwindigkeit und -richtung, Sichtverhältnisse) oder Informationen über die sich anschließende Logistikkette enthalten.
OFFIS integrierte die Projektergebnisse in das maritime Testfeld eMIR (e-Maritime Integrated Reference Platform), um diese mittels simulativer Methoden auch für besonders kritische Situationen zu erproben. Dabei arbeitete OFFIS in seiner Rolle als Projektkoordinator eng mit dem südkoreanischen Forschungsinstitut „Korea Research Institute of Ships & Ocean Engineering“ (KRISO) zusammen. Zudem bildeten „ETRI“ (Electronics and Telecommunications Research Institute) und San Engineering and Locomotive Co. Ltd. aus Südkorea sowie die deutschen Unternehmen SevenCs GmbH und in-innovative navigation GmbH in diesem Projekt das Konsortium. Die Ergebnisse aus KEI.POP wurden unter anderem den Lotsenbrüderschaften Elbe und Kiel demonstriert, die sich begeistert von der landseitig und in Echtzeit generierten Radarschattendarstellung auf einer PPU zeigten. Sie können sich den zukünftigen Einsatz für die Lotsung an mehreren besonders gefährlichen Bereichen an der Elbe sehr gut vorstellen. KEI.POP wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Rahmen des ZIM-Förderprogramms und der EUREKA Forschungsinitiative gefördert und durchgeführt.