Initiatorin der Initiative ist Susanne Boll, OFFIS-Vorständin und Professorin für Medieninformatik und Multimedia-Systeme an der Universität Oldenburg. Im Interview erläutert sie, wie wichtig es ist, strukturelle Ungerechtigkeiten konsequent und strategisch anzugehen, um gezieltzu einem Kulturwandel in der Informatik beizutragen.
Gender Equality ist ein komplexes Thema, das schon mit dem Versuch einer klaren Definition beginnt: Es geht nicht nur um die bloße Quote von Frauen oder verschiedenen Geschlechtern in einem Unternehmen oder einer Institution wie OFFIS, sondern um eine Kultur, die aktiv auf Gleichberechtigung abzielt. Um eine solche Kultur zu fördern, ist es notwendig, strukturelle Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen zu erkennen und anzugehen.
Das bedeutet für mich, Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht in allen Bereichen, auch in Leitungs- und Entscheidungsfunktionen, gleichberechtigt zu beteiligen und ihrer Stimme Gehör zu verschaffen. Es bedeutet auch, den Blick für die unterschiedlichen Bedürfnisse von Menschen unterschiedlichen Geschlechts zu schärfen und sie willkommen zu heißen. Geschlechterstereotype und unbewusste Stigmatisierungen sind leider weit verbreitet. Ihnen muss bewusst begegnet werden. Das tun wir im OFFIS bereits und sehen: es ist ein Gewinn für alle Beteiligten.
Weil ich als Frau in der Informatik über Jahrzehnte die Erfahrung gemacht habe, dass der Anteil der Kolleginnen immer zu gering war, kam mir die Idee. Es hat mich jahrelang geärgert, dass sich daran nichts geändert hat und einzelne Maßnahmen zur Frauenförderung nicht greifen und in der Branche nicht selten auf Widerstand stoßen. Auf diese Weise geht viel zu viel kreatives Potenzial verloren.
Meine Vorstandskollegen sehen das genauso, deshalb wollen wir nicht nur auf punktuelle und temporäre Maßnahmen wie die gezielte Einstellung von Frauen setzen, sondern unsere Unternehmenskultur weiter so verändern, dass sie für Frauen und alle Geschlechter attraktiver wird. Ich bin fest davon überzeugt, dass Frauen bei der Arbeitgeberwahl die Unternehmenskultur berücksichtigen, was erschwert wird, wenn sie in der Minderheit sind und oft geschlechtsspezifisch hervorgehoben werden. Frauen erwarten Wertschätzung auf der Grundlage ihrer beruflichen Fähigkeiten und nicht auf der Grundlage ihres Geschlechts.
Das konkrete Ziel unserer Initiative „25 in 25“ ist die Erhöhung des Anteils von Frauen in allen Bereichen des Instituts von rund 17 Prozent derzeit auf konstant 25 Prozent bis zum Jahr 2025. Dies zu einem unternehmensstrategischen Projekt zu machen und das gesamte Institut dafür zu gewinnen, war der wichtigste Schritt für das bisherige Gelingen. Bis zum jetzigen Zeitpunkt haben wir immerhin fast zwei Drittel des Ziels erreicht – aber es gibt noch viel zu tun.
Zunächst muss sichergestellt werden, dass die Maßnahmen kontinuierlich fortgeführt werden. Auch wenn Parität in der Digitalisierungsforschung ein ambitioniertes Ziel ist, sollte es unbedingt langfristig angestrebt werden. Durch unsere zunehmend interdisziplinäre Forschung im OFFIS ziehen wir auch Absolvent*innen aus anderen Fachbereichen an, in denen der Frauenanteil wesentlich höher ist. Schon heute haben wir Ingenieur*innen, Psycholog*innen und Sozialwissenschaftler*innen bei uns im Team.
Unser nächster Schritt wird die weitere Schärfung des Bewusstseins für Vielfalt im Institut sein. Wir haben bereits ein hohes Maß an Diversität in Bezug auf kulturelle, migrationsbedingte und fachliche Hintergründe erreicht. In der täglichen Arbeit sehen wir, welche Synergien sich daraus ergeben. Die Perspektive auf unsere Forschungsthemen und -methoden wird durch unsere vielfältige Forschungsgemeinschaft erweitert. Nun gilt es, diese wissenschaftliche und kulturelle Vielfalt - auch in geschlechtsspezifischer Hinsicht - fest in unserem Selbstverständnis zu verankern und weiterzuentwickeln.
Um die persönliche, fachliche und berufliche Entwicklung unserer Kolleginnen zu unterstützen, haben wir gezielte Förderprogramme wie Mentoring, Coaching und Networking für Frauen entwickelt, die wir systematisch ausbauen und individuell anpassen. Dazu haben wir unter anderem eine Agentur für Führungskräfteentwicklung mit der Analyse unserer Potenziale und der Einleitung konkreter Maßnahmen beauftragt. Ganz wichtig: Wir fördern die Weiterbildung auf allen Führungsebenen, um Talente im eigenen Haus zu entdecken und zu entwickeln.
Dieser Punkt ist mir und meinen Kollegen im OFFIS Vorstand besonders wichtig, da es uns lange Zeit nicht gelungen ist, Führungspositionen, insbesondere im Bereich der Leitung unserer Forschungsgruppen, mit Frauen zu besetzen. Immerhin werden demnächst fünf unserer 18 Gruppen von Wissenschaftlerinnen geleitet. Aber da ist noch viel Luft nach oben!
Um mehr Führungspositionen mit Kolleginnen zu besetzen, arbeiten wir aktiv am Aufbau eines Talentpools, aus dem wir Frauen gezielt ansprechen und frühzeitig entwickeln, um sie später für Führungspositionen zu gewinnen. Darüber hinaus betreiben wir ein aktives Recruiting, indem wir in unseren Netzwerken gezielt Frauen ansprechen, die sich bei uns auf eine Führungsposition bewerben können, und setzen auch auf Jobsharing, um den Einstieg in eine Führungsposition zusätzlich zu erleichtern.
In unseren Ausschreibungen sprechen wir eine Sprache, die Männer und Frauen gleichermaßen anspricht, und in unseren Bewerbungsgesprächen präsentieren wir uns als ein Institut, in dem Männer und Frauen gleichberechtigt arbeiten. Wir haben festgestellt, dass unsere Maßnahmen nicht nur nach innen, sondern auch nach außen sichtbar sind und die Wahrnehmung des Instituts positiv beeinflussen.
Insgesamt haben wir im OFFIS eine Unternehmenskultur geschaffen, die mehr Frauen anspricht, sich bei uns zu bewerben und zu entwickeln. Wir freuen uns über jede Bewerbung und sind überzeugt, dass eine vielfältige Belegschaft der Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft in Zeiten der Digitalisierung ist.
Weitere Informationen zu unserem Gender Equality Plan finden Sie hier:
https://www.offis.de/offis/ueber-uns/gender-equality-plan.html