Digitale Ersatzteile in nachhaltigen Produktionsökosystemen

30.06.2022Produktion

Prof. Dr. Sabine Baumann, wissenschaftliche Leiterin im OFFIS Bereich Produktion.

Marcel Leerhoff während der Konferenz.

Beispiele: Additiv hergestellte Teile für ein Gesichtsvisier und einen Türhaken.

Konventionelle und additive Fertigungskapazitäten in Zeiten gestörter Lieferketten

Nach den zumeist virtuell durchgeführten Konferenzen der vergangenen zwei Jahre konnte die diesjährige EDSI-Konferenz (European Decision Sciences Institute) nach den COVID-19-Lockerungen wieder in Präsenz durchgeführt werden. Die Veranstaltung fand an der Dublin City University in Irland statt. Das diesjährige Thema „Decision Sciences in a Disrupted World“ behandelt die Rolle, den Einfluss und die Positionierung der Decision Sciences in einer zunehmend disruptiven Welt.

Mit ihrem Beitrag „Digital Spare Parts in Sustainable Production Ecosystems“ stellten Frau Prof. Dr. Sabine Baumann, wissenschaftliche Leiterin des OFFIS Bereichs Produktion, und Marcel Leerhoff, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Produktion des Instituts, das Konzept der digitalen Ersatzteile im Kontext der additiven Fertigung und nachhaltiger Produktionsökosysteme vor.

Die Disruption von Lieferketten durch die Corona-Pandemie sorgte beispielsweise bei der Schutzausrüstung für medizinisches Personal für Lieferschwierigkeiten. Konventionelle Fertigungskapazitäten konnten die hohe Nachfrage nicht erfüllen oder die benötigten Güter erreichten nicht zeitnah ihr Ziel. An dieser Stelle schlossen sich beispielsweise Privatpersonen zusammen, um ihre additiven Fertigungskapazitäten zu nutzen und Schutzausrüstung für medizinisches Personal herzustellen und entsprechend zu verteilen. Hierdurch entstand die Motivation, die entstehenden Ökosysteme bei digitalen Ersatzteilen und der additiven Fertigung dieser Teile für diesen Konferenzbeitrag zu untersuchen.

Digitale Ersatzteile zur dezentralen Ersatzteilfertigung

Das Konzept der digitalen Ersatzteile beschreibt die digitale Speicherung und Verteilung von Fertigungsdaten, mit denen Ersatzteile dezentral beispielsweise mit additiven Fertigungsverfahren hergestellt werden können. Damit wird das Ziel verfolgt, Ersatzteile möglichst lokal zum Einsatzort zu produzieren. Hierdurch sollen Transport- und Lagerkosten verringert oder auch die Verfügbarkeit an Ersatzteilen sichergestellt werden.

Die Grundlage des Beitrags bildete eine systematische Literaturauswertung über die grundsätzlichen Supply-Chain-Konfigurationen und Kategorien, welche den Rahmen dieser Konfigurationen bilden. Von einem zentralen OEM-zentrischen Ansatz bis zu einem dezentralen Endkund*innen-zentrischen Ansatz werden verschiedenste Modelle in der Literatur beschrieben und in der Praxis angewandt. Kategorien wie Produktidentifikation und –design, Intellectual Property und Datenübertragung sowie Datensicherheit oder auch Implementation und strategische Herausforderungen definieren dann den Rahmen dieser Supply-Chain-Konfigurationen.

Außerdem wurden durch Expert*innenninterviews die praktischen Implikationen und Herausforderungen der Implementierung von digitalen Ersatzteilen untersucht und die entstandenen Ökosysteme als Fallbeispiele dargestellt. Insbesondere wurden hier der als fragmentiert gesehene 3D-Druck-Markt als hohe Einstiegsbarriere für neue Unternehmen oder auch die stellenweise noch immer unzureichende Digitalisierung als Umsetzungsbarrieren einer digitalen Supply Chain zur additiven Ersatzteilfertigung genannt. Auch fehle es in Unternehmen an einem Mindset-Shift. Additive Fertigungsverfahren werden stellenweise nicht als Alternativen zu konventionellen Fertigungsverfahren gesehen.

Weiterführende Informationen:

EDSI-Konferenz: http://edsi-conference.com/