Mit Künstlicher Intelligenz die Behandlung von Prostatakrebs verbessern Das Forschungsprojekt „PROSurvival“ startete im November 2022 mit dem Ziel, klinische Routinedaten datenschutzkonform für die Forschung bereit zu stellen, um damit verbesserte Therapieentscheidungen für Prostatakrebspatienten zu ermöglichen.

21.12.2022Pressemitteilung
© Dr. Senckenbergische Institut für Pathologie des Universitätsklinikums Frankfurt am Main

Glasobjektträger mit Gewebeproben © Dr. Senckenbergische Institut für Pathologie des Universitätsklinikums Frankfurt am Main

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Glasobjektträger mit Gewebeproben © Dr. Senckenbergische Institut für Pathologie des Universitätsklinikums Frankfurt am Main

Oldenburg/Bremen/Berlin/Frankfurt.  In Westeuropa und Nordamerika ist das Prostatakarzinom (PCa) die am häufigsten diagnostizierte Krebserkrankung bei Männern und die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache. Das Prostatakarzinom ist eine sehr heterogene Erkrankung. Die meisten Behandlungsalgorithmen basieren daher auf einer klinischen Risikostratifizierung, d.h. einer Abschätzung des Risikos, dass die Erkrankung zu Komplikationen oder zum Tod führen kann. Im Fall des Prostatakarzinoms geschieht dies auf Grundlage des Tumorstadiums, des PSA-Werts (Prostata-spezifisches Antigen) zum Zeitpunkt der Diagnose und der Gleason-Graduierungs-Gruppe (GG). Obwohl sich diese klinische Risikostratifizierung in der Praxis bewährt hat, weist das GG-Einteilungssystem Unschärfen auf, wodurch oftmals Patienten übertherapiert, z.B. unnötigerweise operiert werden.

Im Rahmen des neu gestarteten PROSurvival-Projekts überprüfen die Forscher*innen, ob mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) aus den histo-pathologischen Bildern der Gewebeproben Muster bestimmt werden können, mit deren Hilfe das biochemische Wiederauftreten des Krebses, beziehungsweise das Überleben des Patienten, verbessert vorhergesagt werden kann. Gelingt dies, wird es möglich, diejenigen Patienten zu identifizieren, die zukünftig sicher auf eine aktive Therapie und damit auf eine Operation verzichten können.

Auch in technischer Sicht betritt das Projekt Neuland: Für das Training der Künstlichen Intelligenz soll ein Ansatz für hybrides föderiertes maschinelles Lernen mit einer prädiktiven Mustererkennung kombiniert werden, um effizientes „Deep-Learning-Training“ an mehreren Standorten zu ermöglichen. Föderiertes Lernen ist ein dezentralisiertes Verfahren im Bereich des maschinellen Lernens, um Modelle mit mehreren Datenlieferanten zu trainieren. Anstatt die Daten auf einem zentralen Server zu sammeln, bleiben die Daten am Ort der Entstehung, da nur die Algorithmen und die Vorhersagemodelle zwischen den Servern ausgetauscht werden. Die Fähigkeit, Modelle in großem Umfang in mehreren medizinischen Standorten zu trainieren, ohne Daten zusammenzuführen, ist von zentraler Bedeutung, um das Problem des Patientenschutzes und der Datensicherheit zu lösen. Bei dem hybriden Ansatz des PROSurvival-Projekts werden die sehr umfangreichen, aber leicht anonymisierbaren pathologischen Bilddaten an zentraler Stelle zu klinisch prädiktiven Musterinformationen verdichtet, während die nur schwierig anonymisierbaren klinischen Daten in den beteiligten Kliniken verbleiben. Dieser Ansatz wird eine datenschutzkonforme Nutzung von Daten aus der medizinischen Routineversorgung für die Forschung erschließen, die sonst nicht genutzt werden könnten.

Das langfristige Projektziel ist, einen standortübergreifenden, digitalen Datensatz von Prostatakarzinom-Daten – samt datenschutzkonformer, dezentraler Rechenumgebung zum Training von Modellen des maschinellen Lernens – für die Forschung bereitzustellen, um die gemeinschaftliche Entwicklung von KI für die Präzisionsmedizin zu unterstützen.

Geleitet wird PROSurvival vom Informatikinstitut OFFIS in Oldenburg. Die Arbeit erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Digitale Medizin MEVIS, der Charité – Universitätsmedizin Berlin sowie dem Dr. Senckenbergischen Institut für Pathologie der Goethe-Universität Frankfurt. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 1,4 Millionen Euro über 2 Jahre gefördert.

 

Ihr Ansprechpartner für redaktionelle Rückfragen der Redaktion:

Dr. Marco Eichelberg
Gruppenleiter Automatisierungs- und Integrationstechnik
OFFIS - Institut für Informatik | FuE Bereich Gesundheit 
Phone: +49 441 9722-147
E-Mail: eichelberg(at)offis.de

 

Weiterführende Informationen

OFFIS – Institut für Informatik

OFFIS ist ein 1991 gegründetes, international ausgerichtetes, anwendungsorientiertes Forschungs- und Entwicklungsinstitut für Informatik mit Sitz im niedersächsischen Oldenburg. In durchschnittlich 70 laufenden Projekten leistet OFFIS mit seinen rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Forschung und prototypische Entwicklungsarbeit auf höchstem internationalem Niveau in den Bereichen Energie, Gesellschaft, Gesundheit und Produktion. Dabei kooperiert OFFIS mit weltweit über 700 Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft.

https://www.offis.de/

 

Fraunhofer MEVIS

Eingebunden in ein Netzwerk aus klinischen und akademischen Partnern entwickelt Fraunhofer MEVIS praxistaugliche Softwaresysteme für die bild- und datengestützte Früherkennung, Diagnose und Therapie. Im Mittelpunkt stehen Krebsleiden sowie Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, des Gehirns, der Brust, der Leber und der Lunge. Das Ziel ist, Krankheiten früher und sicherer zu erkennen, Behandlungen individuell auf den Patienten zuzuschneiden und Therapieerfolge messbar zu machen. Außerdem entwickelt das Institut im Auftrag von Industriepartnern Softwaresysteme, mit denen sich bildbasierte Studien zur Wirksamkeit von Medikamenten und Kontrastmitteln auswerten lassen. Um seine Ziele zu erreichen, arbeitet Fraunhofer MEVIS eng mit Medizintechnik- und Pharmaunternehmen zusammen und verfolgt dabei die gesamte Innovationskette von der angewandten Forschung bis hin zum zertifizierten Medizinprodukt.

https://www.mevis.fraunhofer.de/de.html

 

Charité – Universitätsmedizin Berlin

Die Charité – Universitätsmedizin Berlin ist eine der größten Universitätskliniken Europas. Sie ist mit der Humboldt-Universität und der Freien Universität Berlin verbunden. Die Humboldt-Universität und die Freie Universität sind Teil der Berliner Universitätsallianz. Das Berlin Institute of Health (BIH) hat als dritte Säule das Ziel, Erkenntnisse aus der biomedizinischen Forschung in neue Ansätze zur personalisierten Vorhersage, Prävention und Therapie umzusetzen und umgekehrt aus klinischen Beobachtungen neue Forschungsansätze zu entwickeln. Die Charité ist Koordinatorin des EMPAIA-Konsortiums, das 2019 zu den Gewinnern des BMWi-Innovationswettbewerbs KI gehörte. EMPAIA (EcosysteM for Pathology Diagnostics with AI Assistance) zielt darauf ab, die Basis für den breiten Einsatz von KI in der diagnostischen Bildgebung zu schaffen. Das offene Ökosystem bringt Forschungseinrichtungen, Referenzzentren, Startup-Unternehmen, relevante Fachorganisationen und ein internationales Industriekonsortium zusammen, um die Standardisierung und Zertifizierung zu verbessern.

https://www.charite.de/

 

Goethe-Universität Frankfurt

Die Goethe-Universität Frankfurt (GUF) gehört zu den fünf besten deutschen Forschungsuniversitäten in den Lebenswissenschaften. Die GUF verfügt über eine hervorragende Infrastruktur und modernste Forschungseinrichtungen in den Fachbereichen Lebenswissenschaften, zwei Max-Planck-Instituten, dem Universitätsklinikum (UKF) mit dem Universitären Krebszentrum Frankfurt (UCT), dem Georg-Speyer-Haus und dem Frankfurter Cancer Institut (FCI). Aus Fachbereich Medizin der GUF und dem Universitätsklinikum Frankfurt ist das Dr. Senckenbergische Institut für Pathologie (SIP) beteiligt.

https://www.kgu.de/