Wenn Sekunden entscheiden
Der Blackout auf der iberischen Halbinsel im April 2025 zeigte, wie schnell Energienetze kollabieren können. Die Stromversorgung in Spanien und Portugal brach innerhalb weniger Sekunden zusammen – menschliche Intervention konnte die Kettenreaktion nicht mehr aufhalten.
„Wenn eine massive Störung auftritt, laufen im Kontrollzentrum unfassbar viele Meldungen ein", erklärt Dr.-Ing. Eric Veith von der Universität Oldenburg. Energiewende und Cyberangriffe erhöhen die Komplexität zusätzlich.
Die Lösung: Lernfähige KI-Agenten nach dem „Autocurricular Deep Reinforcement Learning" – dieselbe Methode, mit der die Spiele-KI „AlphaGo“ 2016 den amtierenden Go-Weltmeister besiegte. Zwei identische Programme treten gegeneinander an: Während ein „guter" Agent das Netz stabilisiert, simuliert sein „Evil Twin" Störungen wie Cyberangriffe oder extreme Lastspitzen.
„Mit dieser Grundidee haben wir am OFFIS in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Sebastian Lehnhoff bereits 2018 angefangen und sind recht weit gekommen", berichtet Veith.
Transparenz durch Entscheidungsbäume
Seit 2022 macht Veith mit seiner Nachwuchsgruppe an der Universität Oldenburg sowie in EU-Verbundprojekten am OFFIS die KI nachvollziehbar. Ein Algorithmus übersetzt die Strategie in Entscheidungsbäume. „Man sieht explizit, welche Schwellwerte zu welcher Entscheidung führen", erläutert Veith. In Kooperation mit Wiener Netze und Netze BW testet das Team reale Szenarien: Der „böse" Agent lernte, durch synchrones E-Auto-Laden das Netz anzugreifen. Der Betreiberagent entwickelte erfolgreiche Gegenstrategien.
Das Ziel: Ein vertrauenswürdiges KI-System für kritische Situationen, das seine Entscheidungen erklären kann. Weitere Anwendungsfälle wie Krisenvorsorge werden derzeit geprüft.
Die Nachwuchsgruppe „Adversarial Resilience Learning" wird vom Bundesforschungsministerium gefördert und ist an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg angesiedelt. Die Forschung erfolgt in Kooperation mit OFFIS.
Den ausführlichen Originalartikel von Ute Kehse finden Sie im Forschungsmagazin EINBLICKE der Universität Oldenburg und hier als Download.