7. Trialog zur Energiewende: Risiken smart managen – wie schaffen wir robuste digitalisierte Energieinfrastrukturen?

15.12.2017 Energie

Prof. Sebastian Lehnhoff führte inhaltlich in die Thematik ein ©acatech/Stemmler

Berlin. Was funktioniert, macht keine Schlagzeilen – wie die europäische Stromversorgung. Einer der letzten folgenreichen Ausfälle war im Herbst 2006. Nach dem schlecht koordinierten Abschalten zweier Leitungen blieben fast zehn Millionen europäische Haushalte ohne Strom. Mittlerweile tragen Informationstechnologien im verstärkt dezentralen und von Erneuerbaren geprägten Energiesystems zur Versorgungssicherheit bei. Die Digitalisierung macht aber Störungen durch Datenfehler oder Hackerangriffe wahrscheinlicher. Über Chancen und Risiken diskutierten Fachleute beim siebten Trialog der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform und des Akademienprojekts „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) am 14. Dezember in Berlin.

Stromausfälle hätten drastische Folgen. Sie wären nicht nur teuer: Eine Studie schätzte die Kosten eines nur einstündigen deutschlandweiten Stromausfalls im Winter auf auf bis zu 1,3 Milliarden Euro. Sie würden unsere Gesellschaft auch weitgehend lahmlegen. Schließlich sind weitere kritische Infrastrukturen wie Transport, Wasserversorgung und die medizinische Versorgung vom Energiesystem abhängig. Ohne Strom für die automatisierten Lager in Apotheken etwa käme niemand mehr an seine Medikamente.

Die Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen wird zukünftig weiter steigen und somit auch der Bedarf, deren wetterbedingt schwankende Einspeisung mit dem Verbrauch zu koordinieren und auf den verschiedenen Netzebenen zu verteilen. Dazu werden Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) benötigt. Sie machen einerseits die Energieversorgung stabiler und effizienter. Andererseits stellen sie das System vor neue Herausforderungen – so steigt etwa das Risiko von Hackerangriffen.

Um Sicherheit und Datenschutz zu gewährleisten, braucht es eine Verständigung über die Rolle von IKT-Systemen und deren Anwendung im Energiesystem. Welche Strategien und Maßnahmen sind geeignet, um robuste digitale Energieinfrastrukturen zu schaffen, und wer gestaltet diesen Prozess künftig mit? Darüber diskutierten rund 50 Akteure aus Politik und Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft beim Trialog „Risiken smart managen – wie schaffen wir robuste digitalisierte Energieinfrastrukturen?“ im Berliner Allianz Forum. Eröffnet wurde die Veranstaltung von Gesine Schwan, Präsidentin der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform. ESYS-Mitglied Sebastian Lehnhoff,Vorstand für den Forschungs- und Entwicklungsbereich Energie des Informatikinstituts OFFIS – , übernahm die inhaltliche Einführung. “Die Digitalisierung ist janusköpfig. Sie ist weder per se gut, noch per se schlecht für die Resilienz des Energiesystems“, unterstrich der Energieinformatiker. „Es liegt an uns die Digitalisierung so voranzutreiben, dass sie den Herausforderungen und Risiken gerecht wird.“

Weitere Impulse gaben Friederike Ernst vom Blockchain Bundesverband e.V., Linus Neumann vom Chaos Computer Club und Alexander Kleemann aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Die Impulse gaben Einblicke in die Chancen und Grenzen der Blockchain-Technolgie für die Energiewirtschaft, unterstrichen die Wichtigkeit von IT-Sicherheit für die Resilienz digitaler Energieversorgungssysteme sowie die Notwendigkeit von nationalen und europäischen Standards für den sicheren Einsatz von digitalisierten Komponenten.

In anschließenden Workshops vertieften die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Trialogs konkrete Fragestellungen. Eine Gruppe beschäftigte sich etwa mit den Gefahren der Digitalisierung kritischer Energieinfrastrukturen und mit der Frage welche Standards in dem sich verändernden Energiesystem durch die Wirtschaft gesetzt werden müssten und wo der Staat regulieren müsste. Deutlich wurde dabei, dass in der Entwicklung von Standards Zielkonflikte bestehen bspw. hinsichtlich der Flexibilität, auf Neuerung zu reagieren versus klarer Vorgaben in einem sich verändernden System. Im zweiten Workshop ging es um die privaten Haushalte in der digitalen Energiewende. Es bestand Konsens, dass sich die Rolle der Verbraucher wandelt. Sie werden immer mehr "aktive Konsumenten", die ihre Tarife wählen wollen, selbst Photovoltaik auf dem Dach installieren oder mit der Blockchain-Technologie in den Markt einsteigen. Ein wichtiger Aspekt im Rahmen der Digitalisierung betrifft die Daten: während die Verbraucher nicht zum gläsernen Kunde werden dürfen, muss für die Versorgungsicherheit dennoch ein Maß an Transparenz hergestellt werden. Diese Spannungsverhältnis gilt es zu beachten.

Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Kooperation zwischen der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform und dem Akademienprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ stärkt die Vernetzung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. In den Trialogen tauschen sich ESYS-Fachleute mit Vertreterinnen und Vertretern der Politik, Wirtschaft und organisierten Zivilgesellschaft aus. Die Veranstaltungen werden dazu genutzt, neue Themen aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und Fragestellungen im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Anschlussfähigkeit zu schärfen.

Beteiligte Institutionen:
Die HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform unterstützt durch ihre Trialoge den kommunikativen Austausch und die Verständigung zwischen den verschiedenen Stakeholdergruppen Politik, Wirtschaft und organisierte Zivilgesellschaft mit Medien und Wissenschaft zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Fragen. Durch die Auswertung dieser Multi-Stakeholder-Treffen werden Grundkonsense deutlich, die die Formulierung gemeinwohlorientierter Politik vorbereiten. Eine Trialog- Veranstaltung dauert einen gesamten Arbeitstag, um neben den Impulsvorträgen ausreichend Zeit für die Diskussion zwischen den Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Stakeholdergruppen zu gewährleisten.

Mit der Initiative „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) geben acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften Impulse für die Debatte über Herausforderungen und Chancen der Energiewende in Deutschland. Im Akademienprojekt erarbeiten rund 100 Fachleute aus Wissenschaft und Forschung Handlungsoptionen zur Umsetzung einer sicheren, bezahlbaren und nachhaltigen Energieversorgung. Die Federführung des Projekts liegt bei acatech.